Wie ich auf den anderen Seiten über die Schwanzmeisen (Aegithalos caudatus) bereits schrieb, gehört das Nest der zierlichen Vögel zu den kunstvollsten Nestern unserer heimischen Vogelwelt. Und auf eben diesen anderen Seiten ist auch nachzulesen, dass ich von den Baumeistern und ihrem großartigen Werk schlichtweg begeistert bin. Das ovale Nest mit der seitlichen Aus- und Einflugöffnung ist einfach grandios. Es ist wunderschön. Unglaublich gut getarnt. Windgeschützt, trocken und warm. Eine perfekte Vogelkinderstube. Ein Kunstwerk, das von winzigen Schnäbeln gebaut wird. Unglaublich, aber wahr. Die Entdeckung eines Schwanzmeisen-Nestes oder das Beobachten seiner Entstehung gehört für mich zu den faszinierendsten und schönsten Naturerlebnissen. Die Leistung der Vögel, ihre Ausdauer und Geschicklichkeit nötigen mir allergrößten Respekt ab. Dabei zu sein, zu erleben, wie ein Schwanzmeisen-Nest entsteht - das berührt mich ganz tief in meinem Inneren. Allerdings sind Schwanzmeisen-Nester aufgrund ihrer hervorragenden, an die Umgebung angepassten Tarnung schwer zu entdecken. Und häufig sind sie schon mal gar nicht. Für alle, die noch nie das Glück hatten, die Baumeister bei ihrem Werk oder ein fertiges Nest bestaunen zu dürfen, habe ich die Fotos auf dieser Seite zusammengestellt. Gezeigt wird ein Nestbau im April 2020 sowie Bilder von anderen Schwanzmeisen-Nestern. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, Betrachten und Staunen.
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Am Morgen des 2. April 2020 fielen mir zwei Schwanzmeisen mit Nistmaterial im Schnabel auf, die in der Astgabel einer stattlichen Birke in ungefähr 5 Metern Höhe mit dem Nestbau begonnen hatten. Und das ist ihre Geschichte: Ein Schwanzmeisen-Nest kann sich in den Astgabeln von Laubbäumen, in herabhängenden Zweigen von Fichten, in Koniferen, Büschen oder Hecken befinden. Auch dichter Efeu, der Bäume bekleidet, ist als Nistplatz beliebt. Das Nest wird nie in Bodennähe angelegt, sondern mindestens 1,5 Meter hoch. Wobei ich auch schon einmal ein Nest in einer Hecke gefunden habe, dass gerade mal 1 Meter hoch lag. Die endgültige Bestimmung des Nistplatzes erfolgt durch das Weibchen, nachdem es vom Männchen verschiedene geeignete Plätze gezeigt bekommen hat. Während der Nistplatzsuche tragen beide Vögel Nistmaterial im Schnabel. Dort, wo das Weibchen seines ablegt, wird gebaut. Hier hatte sich das Weibchen für die Birke entschieden.
Männchen und Weibchen sind gleichermaßen am Nestbau beteiligt. Die Errichtung des bis zu 25 Zentimeter hohen ovalen Kunstwerkes mit einem seitlichen Ein- bzw. Ausflugloch erfolgt von unten nach oben und dauert mehrere Wochen. Je früher die Vögel mit dem Nestbau beginnen, um so mehr Zeit lassen Sie sich. Das heißt umgekehrt: Je später sie damit beginnen, um so mehr müssen sie sich beeilen. Das Schwanzmeisen-Paar auf den Fotos legte ein ungeheures Tempo vor - immerhin hatten wir bereits April. Als Baumaterial dienen Moose, Flechten, Spinnweben und Fäden von Insektenkokons, trockene Grashalme, Rindenstückchen, Tierhaare und Federn. Die Materialien werden mit dem winzigen Schnabel miteinander verwoben. Mit den kleinen Füßen wird zusätzlich gezogen und getretelt. Das Weibchen drückt außerdem von innen gegen die Wände, um diese zu dehnen und zu verfestigen. Damit das Nest nicht vom Wind zerstört wird oder abstürzt, erfolgt eine Verankerung mit der Unterlage und/oder daneben befindlichen Zweigen. Bis das Nest fertig ist, müssen die Vögel tausende Male umherfliegen, um Nistmaterial zu sammeln und zu verbauen. Was für eine Leistung!
Die Außenfarbe jener Nester, die ich bestaunen durfte, richtete sich immer nach dem Nistplatz, so dass die Nester am Ende eine hervorragende Tarnung aufwiesen. Das heißt, die Vögel wählen gezielt jene Nistmaterialien aus, die farblich zur Nestumgebung passen und das Nest nahezu unsichtbar machen. Außerhalb der Balz- und Brutzeit und der Jungenaufzucht sind Schwanzmeisen übrigens Schwarmwesen. Sie gehören dann zu Familienverbänden, die aus Elterntieren, Jungvögeln und Verwandten bestehen. Für die Balz lösen sich die Paare aus dem Schwarm und besetzen ein Brutrevier. In der Vogelbestimmungsliteratur wird regelmäßig beschrieben, dass sich am Nestbau andere Vögel aus dem Familienverband beteiligen. Das konnte ich bei "meinen" Schwanzmeisen-Nestern nicht beobachten. Gebaut hat ausschließlich das Paar. Andere Schwanzmeisen wurden vehement vertrieben.
Bereits am 07. April hatten die beiden Vögel ungefähr die Hälfte des Nestes geschafft. Ich war zutiefst beeindruckt. Unablässig sammelten sie in der unmittelbaren Umgebung Nistmaterial mit ihrem winzigen Schnabel: knabberten Flechten von Zweigen, zupften Moos von Steinen am Boden oder an Baumstämmen, sammelten dürre Halme oder zogen Spinnweben vom Gezweig. Nicht selten musste ein Vogel neben dem Nest warten, bis der andere sein Nistmaterial verbaut hatte - derart schnell waren die beiden unterwegs.
Am 08. April traf ich die beiden Schwanzmeisen zum ersten Mal mit Federn im Schnabel an. Das hieß, dass es nun an den Innenausbau ging. Tatsächlich sah ich mit Erstaunen, dass das äußere Nest fertiggestellt war und über das ungefähr 3 Zentimeter große Einflugloch verfügte. Die Innenwand des Nestes wird mit bis zu 2000, teilweise winzigen Federn ausgekleidet! Schon allein der Aufwand, diese vielen Federn zu sammeln, ist unvorstellbar. Anders als beim Sammeln des übrigen Nistmaterials müssen die Schwanzmeisen für das Auffinden der Federn meist weit in die Umgebung fliegen, was einen enormen, zusätzlichen Kraftaufwand bedeutet. Und da stand ich mal wieder und schaute voller Bewunderung auf eines der tollsten Vogelnester überhaupt - windgeschützt, trocken und warm. Und von Weitem kaum zu erkennen ...
In der Folgezeit hatte ich leider kaum Zeit, das Schwanzmeisten-Nest im Auge zu behalten. Am 21.04.2020 war es endlich so weit. Ich konnte nach dem Schwanzmeisen-Nest sehen ... und musste erschrocken feststellen, dass es zerstört worden war. Unendlich traurig bin ich nach Hause geschlichen. Die Zerstörung des Schwanzmeisennestes, die Tatsache, dass das Pärchen den riesigen Aufwand vergeblich betrieben hatte und keinen Nachwuchs haben würde - das hat mich in den Tagen danach wirklich sehr beschäftigt. Doch die Natur ist eben nicht idyllisch. Es ist ein ständiges Fressen und Gefressenwerden. Ob sich Nebelkrähen, Eichelhäher oder ein Eichhörnchen darüber hergemacht hatte - keine Ahnung. Auf jeden Fall mussten in der Zwischenzeit mindestens Eier im Nest gelegen haben, denn spätestens eine Woche nach Fertigstellung des Nestes beginnt das Weibchen mit der Eiablage bzw. Brut und das kam vom Zeitablauf durchaus hin. Schwanzmeisen legen zwischen 5 und 16 Eier, die zwei Wochen lang bebrütet werden. Für dieses Schwanzmeisen-Pärchen war die Brutsaison jedoch mit der Zerstörung des Nestes vorbei, weil Schwanzmeisen nur sehr früh im Jahr und ausnahmsweise Ersatznester errichten. Einmal mehr habe ich also erlebt, dass Schwanzmeisen-Nester, die in den Astgabeln von Laubbäumen errichtet werden, geplündert werden. Denn von den Schwanzmeisen-Nestern, die ich seit 2017 gefunden habe, wurden nur jene von einer Plünderung verschont, die sich sich Fichten, Koniferen oder dichten Hecken befanden.
Dieses Nest wurde im Efeu an einer alten Linde in ungefähr 2 Metern Höhe errichtet. Ich habe es im April 2017 entdeckt, weil das Männchen vor dem Nest seine auffälligen, elfengleichen Balzflüge absolvierte. Das bedeutete, dass das Nest fertiggestellt war, die Paarung anstand und das Weibchen mit der Eiablage und Brut beginnen würde. Daraus wurde aber nichts, denn einige Tage später lag das Nest zerstört am Boden.
Ebenfalls im April 2017 habe ich dieses Schwanzmeisen-Pärchen beim Nestbau entdeckt und konnte es bis zur Fertigstellung beobachten. Es war das erste Schwanzmeisen-Nest, das ich überhaupt gesehen habe. Es befand sich in einer Robinie direkt am Wegesrand in ca. 4,5 Metern Höhe. Kurz nach der Fertigstellung des Nestes richtete sich in nur 10 Metern Entfernung leider ein Eichelhäher-Pärchen häuslich sein und baute ein Nest in einer alten Laterne. Einige Zeit später fand ich die Reste des Nestes auf dem Boden (mehr darüber können Sie im Blogartikel dazu lesen - siehe Link am Ende der Seite).
Im Februar 2021 stieß ich wieder einmal auf Schwanzmeisen mit Nistmaterial im Schnabel und entdeckte wenig später ihr Nest in den herabhängenden Zweigen einer alten Fichte. Zum ersten Mal konnte ich ein Schwanzmeisen-Pärchen bis hin zur Jungenfütterung beobachten und bin gespannt, ob es mir gelingt, einen Blick auf die Jungvögel nach dem Verlassen des Nestes zu werfen (mehr darüber können Sie im Blogartikel dazu lesen - siehe Link am Ende der Seite). Jeden Tag bin ich in Gedanken bei den Vögeln und drücke unablässig meine Daumen für das Gelingen des Brutgeschäfts.