Raubwürger (Lanius excubitor)


Raubwürger (Lanius excubitor), 22.02.2019, Land Brandenburg
Raubwürger (Lanius excubitor), 22.02.2019, Land Brandenburg

Wenn Sie diesen Vogel entdecken, können Sie sich den Titel "Glückspilz" verleihen, denn er ist extrem selten und in Deutschland vom Aussterben bedroht: der Raubwürger (Lanius excubitor). Außerdem verhält er sich äußerst scheu, weshalb das Fotografieren eine wahrhaftige Herausforderung ist, wenn man nicht gerade mit einem Riesenobjektiv auf Fotopirsch ist. Das ist zumindest meine Erfahrung mit den wenigen Raubwürgern, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Und da ich kein Riesenobjektiv besitze ... egal, ich freue mich immer riesig, wenn ich einem Raubwürger begegne. Ob nun mit oder ohne gelungenem Foto.

Raubwürger (Lanius excubitor), 16.02.2019, Staaken/Berlin
Raubwürger (Lanius excubitor), 16.02.2019, Staaken/Berlin

Der Raubwürger gehört wie der Neuntöter zur Familie der Würger, Gattung Echte Würger. Und wie der Neuntöter erwürgt er seine Beute nicht, wie der Familienname vermuten lassen könnte, sondern würgt die unverdaulichen Reste seiner Beutetiere wieder aus (zum Beispiel Federn und Knochen). Gemeinsam ist ihnen außerdem, dass sie ihre Beute aus Gründen der Vorratshaltung und der besseren Zerkleinbarkeit auf Dornen aufspießen. Die Gestalt, der kräftige Schnabel und die schwarze Augenmaske lassen unschwer die Verwandtschaft erkennen, aber bei der Gefiederfarbe hört es dann auf. Im Gegensatz zum Neuntöter fehlen dem Raubwürger die braunen Farbtöne. Er kommt grau-schwarz-weiß daher, wie man auf dem ersten Bild sehr schön sehen kann. Mit bis zu 26 cm Länge von der Schnabelspitze bis zum Ende der Schwanzfedern ist er ein ganzes Stück größer als ein Neuntöter und auch sein langer Schwanz fällt sofort ins Auge. Raubwürger ernähren sich hauptsächlich  von Vögeln und Nagetieren. Insekten, die die Hauptnahrung seines Verwandten darstellen, spielen eine untergeordnete Rolle. Der größte Unterschied zwischen beiden ist jedoch, dass Raubwürger als Brutvögel in Deutschland nur noch vereinzelt und in wenigen Paaren existieren. Dort, wo sie nach wie vor Brutvögel sind, kann man sie das ganze Jahr über beobachten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass man in den Wintermonaten einen der Gäste aus dem hohen Norden entdeckt - Raubwürger, die bei uns die kalte Jahreszeit verbringen. Aber auch für derartige Begegnungen braucht man jede Menge Glück. Ich kenne in meiner Umgebung nämlich nur ein Gebiet, in welchem sich ein Raubwürger regelmäßig von Januar bis ca. Mitte März zeigt. Der Raubwürger auf dem ersten Bild im Land Brandenburg war übrigens eine überaus erfreuliche Zufallsbegegnung. Bessere Chancen, einen Raubwürger zu beobachten, hat man an der Ostsee, zum Beispiel in den Schilf- und Dünengebieten am Darßer Ort oder in den Zickerschen Bergen auf Deutschlands größter Insel Rügen. Meines Wissens handelt es sich dabei ebenfalls um Nordlichter, also Wintergäste aus den skandinavischen Ländern, aber sicher bin ich mir nicht.

Raubwürger (Lanius excubitor), 05.02.2020, Staaken/Berlin
Raubwürger (Lanius excubitor), 05.02.2020, Staaken/Berlin

Raubwürger sind Bewohner offener Landschaften. Das heißt, es müssen von Büschen und einzelnen Bäumen bestandene Freiflächen zur Verfügung stehen, in denen es ausreichend Nahrung und Nistmöglichkeiten für die Vögel gibt. Wie für den Neuntöter spielen auch für den Raubwürger Dornensträucher wie Hundsrose, Schlehe oder Weißdorn eine entscheidende Rolle, weil er - wie bereits beschrieben - Beutetiere auf Dornen aufspießt. Büsche und Bäume braucht er in seinem Revier außerdem, um Ausschau nach Beute zu halten. In der Regel sitzt ein Raubwürger auf dem höchsten Ast eines Gehölzes. Wenn Sie im Winter also einen einsamen Vogel auf der obersten Spitze eines Baumes oder Busches sehen, handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen Raubwürger und Sie können sich an seinem Anblick erfreuen. Flächenverbrauch durch Landwirtschaft und Bautätigkeit, Pestizideinsatz und Störungen durch Menschen sind die Hauptursachen dafür, dass Raubwürger heutzutage zu den seltensten Vögeln unserer Heimat gehören. Geeignete Moor- und Heidegebiete, extensiv genutzte Weiden und Wiesen, Streuobstwiesen - das sind immer seltener werdende Biotope. Mit ihnen verschwinden unzählige Lebewesen, so auch der Raubwürger. In meiner Wohngegend zeigte sich der Raubwürger im Winter übrigens früher regelmäßig am Hahneberg, doch das ist seit einigen Jahren Geschichte. Zu viele Menschen, zu viele Hunde, vor denen keine Fläche sicher ist. Ausdrücklich genannt sei außerdem ein bestimmter Typ sogenannter Naturfotografen, der nach meiner Erfahrung immer wieder dazu beiträgt, dass sich Vögel wie der Raubwürger aus manchen Gebieten zurückziehen. Vor zwei Jahren habe ich die Sichtung eines Raubwürgers in einem Internetportal zur Vogelerfassung eingegeben. Leider mit genauem Standort und für jedes Mitglied sichtbar, denn schließlich möchte man ja auch andere Menschen für die Natur sowie die gefiederten Gesellen begeistern und ihnen tolle Beobachtungserlebnisse ermöglichen. Als ich am nächsten Tag meinen Rundgang machte, traute ich meinen Augen nicht: Eine ganze Traube fotografierender Menschen hatte sich im Raubwürgerrevier versammelt und mindestens die Hälfte davon hatte nichts Besseres zu tun, als dem Raubwürger kreuz und quer durchs Gelände zu folgen. Was angesichts der offenen Fläche, den laublosen Büschen und Bäumen und somit dem Fehlen jeglicher Deckung ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen war. Denn der Raubwürger auf seiner Sitzwarte nimmt jede Bewegung bereits aus großer Entfernung wahr. Im Ergebnis wurde der Vogel über Stunden beim Nahrungserwerb bzw. sowohl bei der Jagd als auch beim Ausruhen gestört. Und das tagelang. Es war das letzte Mal, dass ich einen seltenen Vogel mit genauem Standort und für jedes Mitglied sichtbar gemeldet habe. Seitdem melde ich Vögel wie den Raubwürger so, dass nur die Fachleute im Hintergrund genaue Angaben einsehen können. Diese Vorgehensweise lege ich jedem ans Herz, der als Eingebender in einem solchen Portal aktiv ist. Denn es geht um den Schutz der Natur, den Schutz der Vögel und nicht um die Bekanntmachung von Vogelsichtungen für Fotografen, denen nichts wichtiger ist als das perfekte Foto von einem möglichst seltenen Vogel.