In Staaken und drumherum leben sie gar nicht so selten. Im Gegenteil. Sie sind sogar recht häufig, aber nur mit einer großen Portion Geduld und bei schönem Wetter zu beobachten. Was heißt "schönes Wetter"? "Ideales Eidechsenwetter" muss es sein - nicht zu kalt, nicht zu heiß, nicht windig. Na ja. Meistens bemerkt man ihre Anwesenheit nur, weil irgendetwas blitzschnell im Gras oder im Gebüsch verschwindet. Man hört ein Rascheln und erhascht vielleicht noch einen Blick auf den Schwanz. Und das wars. Immerhin weiß man nun, dass sie da sind. Die kleinen Drachen. Zauneidechsen. Lateinisch "Lacerta agilis", also "flinke Eidechse" genannt. Und diesem Namen machen sie ja alle Ehre.
Besonders hübsch sind die Männchen zur Paarungszeit, wenn leuchtende Grüntöne den Körper zieren. Beim Weibchen dominieren Braun- und Grautöne mit einer schwarzen Zeichnung. Gut getarnt liegen die Echsen entweder in der Sonne oder im Halbschatten. Mit ganz viel Glück entdeckt man im Frühjahr während der Paarungszeit Männchen und Weibchen zusammen. Ideal ist ein von der Sonne erwärmtes Stück Totholz, eine Mauer oder ein Stein, leicht beschattet von ein paar Grashalmen oder Zweigen. Im Spiel von Licht und Schatten auf aufgewärmtem Untergrund kommen sie als wechselwarme Tiere nicht nur auf Betriebstemperatur, sondern sind auch hervorragend getarnt. Und diese Tarnung haben sie auch bitter nötig, denn Fressfeinde haben sie mehr als genug: Turmfalke, Mäusebussard, Neuntöter, Mauswiesel und andere Marder, Rotfuchs, Graureiher, Igel - die Liste ist lang, sehr lang sogar. Die große Nachfrage der Beutegreifer hat übrigens zu jenem Eidechsenverhalten geführt, welches man an hier und da auftretenden schwanzlosen Tieren erkennen kann: Packt ein Fressfeind die Eidechse am Schwanz, wirft sie ihn einfach ab. Zwar wächst der Schwanz mit der Zeit wieder nach, aber er wird nicht mehr so lang wie der ursprüngliche. Obwohl die Zauneidechse keine übergroßen Ansprüche an ihren Lebensraum stellt und in unterschiedlichsten Biotopen ein Auskommen finden kann, ist sie vielerorts verschwunden. Um so mehr freue ich mich über jede Zauneidechse, die mir begegnet. Ob in meiner Wohngegend oder am Hahneberg - erstaunlicher Weise gibt es noch viele Flächen in Staaken, auf denen die kleinen Drachen einfach ihr Leben leben können. Wegränder, Wiesenareale, lichte Gebüsche, Feldränder.
Wichtig ist ein lockerer Bewuchs, der das Aufwärmen und Sonnenbaden möglich macht. Schotterflächen, große Steine, Steinhaufen, Baumstümpfe oder Mauern dienen nicht nur dem Sonnenbaden und Ausruhen, sondern auch Versteckmöglichkeiten sowie Unterschlupf für die Winterruhe. Unabdingbar sind weiche, besonnte Sandflächen für die Eiablage. Von Mitte Mai bis in den August hinein graben die Weibchen nämlich Löcher in den Sand und legen dort ihre Eier hinein. Den Rest übernimmt die Sonne. Die nach ca. zwei Monaten schlüpfenden Jungtiere müssen sich nicht nur vor den oben genannten Beutegreifern in Acht nehmen, sondern auch vor der eigenen Familie. Denn erwachsene Zauneidechsen haben Jungtiere zum Fressen gern. Da Insekten die Hauptnahrung der Zauneidechse darstellen, muss die Pflanzenwelt in einem Eidechsenbiotop arten- und blütenreich sein. Eidechsenbiotope sind deshalb oft Refugien für andere bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Der deutsche Name "Zauneidechse" rührt übrigens daher, dass sie in früheren Zeiten derart häufig waren, dass sie sogar Gärten besiedelten und sich auf den Zäunen sonnten. Falls Sie auch einen Garten haben, können Sie ja mal darüber nachdenken, ob man ihn eidechsenfreundlich gestalten kann. Es ist gar nicht so schwer, etwas für die kleinen Drachen zu tun. Sollten sich Katzen in Ihrem Haushalt befinden, wird es jedoch schwierig mit den Zauneidechsen im Garten, denn unsere befellten Mitbewohner stellen den Reptilien unaufhörlich nach. Viel mehr als ihre Fressfeinde setzt den kleinen Drachen allerdings die Zerstörung ihrer Lebensräume zu.
Die zunehmende Bautätigkeit spielt dabei eine große Rolle, denn sie führt dazu, dass immer mehr Wiesenflächen, Brachen und andere Reptilienlebensräume verschwinden. Da Zauneidechsen EU-weit geschützt sind, müssen Bestände, die einem Bauvorhaben im Weg stehen, umgesiedelt werden. Das ist teuer und rettet zwar den Zauneidechsen das Leben, nicht aber den anderen Lebewesen in ihrem Biotop und schon gar nicht das Biotop selbst, welches übrigens genauso unter Schutz steht wie die Zauneidechsen. Wie eine Zauneidechsenumsiedlung aussieht, kann ich seit einigen Jahren immer wieder miterleben. Am Anfang steht eine Fläche, auf der eine artenreiche Flora und Fauna gedeiht. Dazu gehören neben den Zauneidechsen diverse Schmetterlinge, Bienen und Hummeln, Vögel wie Grauschnäpper, Neuntöter oder Dorngrasmücke und seltene Pflanzen. Der Eidechsenlebensraum steht ja nicht umsonst als Flora-Fauna-Habitat unter Schutz. Es werden Zäune aufgestellt, Eimer eingebuddelt und wenn es gut läuft, werden die Eimer täglich kontrolliert. Am Ende, so nach ca. 2 Jahren, befindet sich anstelle des artenreichen Lebensraumes ein Sport- oder Parkplatz, ein Wohnhaus oder ein Supermarkt. Die Reptilien landen in einem anderen Areal. Bis dahin wird mit enormem Aufwand ein neues Eidechsenbiotop geschaffen - es wird gegraben und gebaggert, Sand und Totholz rangeschafft usw. usf.. Sind die Zauneidechsen in ihrem, von den Zweibeiner geschaffenen Refugium angekommen, leben sie in einem dauerhaft eingezäunten Gehege, das mit einem Schild versehen wird, auf dem steht, wer diese sogenannte Ausgleichsmaßnahme durchgeführt und finanziert hat. Fein. Fein. In meiner unmittelbaren Wohngegend gibt es inzwischen drei solcher Areale, die ziemlich nah beieinander liegen und doch keinen genetischen Austausch zulassen, weil sie durch die Plastikfolie am unteren Ende des Zauns in sich geschlossene Inseln darstellen. Ich frage mich oft, ob und wie diese Populationen überleben werden.
In einem meiner Reptilienbücher wird beklagt, dass es von der Zauneidechse inzwischen zu viele kleine, voneinander getrennte Vorkommen gibt. Werden diese Populationen durch Sommer mit eidechsenunfreundlichem Wetter oder zu viele Beutegreifer dezimiert, sind sie nicht mehr in der Lage, sich zu regenerieren. Und wir schaffen unter dem Decknamen "Arten- und Naturschutz" genau das: Inselvorkommen, auf deren Begrenzungszaun sich Greifvögel wie Mäusebussard oder Turmfalke einander ablösen oder Füchse sich dauerhaft einmieten - das habe ich selbst nicht nur einmal beobachten können. Wenn man sich zusätzlich bewusst macht, wieviele Flächen durch Straßenbau oder Landwirtschaft zerstört oder durch Pestizideinsatz und Monokulturen zu ökologischen Wüsten gemacht werden ... Für mich sind diese Ausgleichsmaßnahmen nichts weiter als ein Feigenblatt, um unsere Blöße zu bedecken. Unsere Blöße, nicht willens oder in der Lage zu sein, Naturräume tatsächlich zu erhalten und zu schützen. Von daher sollte man den Anblick der schönen und interessanten Tiere genießen, wann immer er sich bietet. Wer gezielt auf Eidechsenpirsch gehen möchte, dem seien der frühe Morgen bzw. Vormittag empfohlen oder der späte Nachmittag. Gefragt ist auf jeden Fall Geduld, denn die zierlichen Tierchen reagieren sofort auf jede Bewegung in ihrer Umgebung und ziehen sich blitzschnell in ihre Behausungen zurück, sobald sie unsereins bemerkt haben. Ich könnte jetzt noch seitenweise weiter über die interessanten Tiere schreiben. Über ihr Revierverhalten, die Häutung und und und. Aber das würde den Rahmen meiner Seiten sprengen. Deshalb mach ich an dieser Stelle Schluss und wünsche allen, die hierher gefunden haben, viel Freude beim Betrachten der Fotos.