Heute geht es um die Tiere am Hahneberg - allerdings ohne die Gefiederten, denn die waren ja schon im April und Mai dran. Es geht um Kaisermäntel, Wespenspinnen, Wildsau und Rotfuchs, streunende Katzen und einige andere Lebewesen, die die beiden Hahneberge sowie die Gegend drumherum zu ihrem Lebensraum auserkoren haben. Zwei Hahneberge? Ja. Genau. Aber dazu kommen wir später. Denn erst einmal geht es um das Tierchen auf dem Foto. Das stand nämlich an einem wunderbaren Julisommermorgen plötzlich vor mir und war offensichtlich überhaupt nicht amüsiert über mein Auftauchen (ich über seins übrigens auch nicht). Zu voller Größe aufgebaut stand es warnend grunzend im Gras am Wegesrand und starrte mich an. Grunzen und Körperhaltung signalisierten mir ganz klar, dass ich schleunigst den Rückzug antreten sollte. Und als es hinter dem Wildschwein im Gras raschelte und kurz ein paar kleine hellbraune Schweinenasen zum Vorschein kamen, war die Sache entschieden. Eine Bache mit Frischlingen. Ein Muttertier, das alles tun würde, um seinen Nachwuchs zu schützen. Okay. Den Gedanken daran, vielleicht doch einfach den Weg am Wildschwein vorbei zu nehmen, verwarf ich augenblicklich ... und kehrte um. Im Umdrehen schoss ich noch wagemutig das Foto und marschierte los. Bloß nicht zu langsam laufen, aber auch nicht rennen, hatte ich mal irgendwo gelesen. Wie findet man die richtige Geschwindigkeit, wenn man Schiss vor einer Wildsau hat? Und gab es eine Möglichkeit, mich in Sicherheit zu bringen, falls das Muttertier zum Angriff übergehen sollte? Würde es reichen, auf eine der Sitzbänke zu flüchten? Oder wäre es besser, auf einen der Bäume zu klettern? Wenn ja, auf welchen? Würde ich schnell genug auf den Baum kommen? Bestimmt nicht. Verdammt! Erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit unser Gehirn Gedanken produzieren kann ...
Zur Not könnte ich ihr mit meiner Kamera auf den Kopf hauen. Aber nein, das wollte ich doch gar nicht. Eigentlich tat es mir leid, dass ich sie gestört hatte und ich hatte vollstes Verständnis dafür, dass sie ihren Nachwuchs schützen wollte. Wirklich wahr. Denn da sind wir Muttertiere doch alle gleich. Egal, ob wir nun vier oder zwei Beine haben. Als ich mich halbwegs in Sicherheit wähnte, wagte ich einen Blick zurück. Nun, sie stand immer noch da und hatte mich fest im Blick. Also trottete ich weiter. Bis heute bin ich diesen Weg übrigens nicht noch einmal gegangen, denn vor Wildschweinen habe ich größten Respekt. Es dauerte dann auch eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte und den klaren, sonnigen Sommermorgen genießen konnte. Ich bestaunte die Fülle der Tier- und Pflanzenwelt, die Geräusche, die Düfte, die Farben ... bis es neben mir im Unterholz verdächtig zu rascheln begann. Oh nein. Bitte nicht noch ein Wildschwein, dachte ich. Doch diesmal erschien weder eine große noch eine kleine Schweinenase. Ein Rotfuchs ging im Unterholz seiner Wege und würdigte mich keines Blickes. Er war so in sein Tagwerk vertieft, dass er mich gar nicht bemerkte. Wildschweine und Rotfüchse gehören neben Wildkaninchen und Eichhörnchen zu den häufigsten Säugetieren, die einem am Hahneberg über den Weg laufen können. Am neuen Hahneberg wohlbemerkt, denn - wie oben bereits angemerkt - gibt es zwei Hahneberge. Der neue Hahneberg ist der mit der Sternwarte, den Sitzbänken und der Rodelbahn. Aus einer mit Schutt und Abraum zugeschütteten Kiesabbaugrube entstanden und knapp 88 Meter hoch ist er heute Ausflugsziel nicht nur für die Spandauer. Der natürlich entstandene, ehemals 67 Meter hohe Hahneberg ist jene Erhebung, in der das Fort Hahneberg hineingebaut wurde. Aufgrund der starken Nutzung durch Menschen und auch ihre Hunde, lassen sich Wildtiere heute nur noch selten am für die Öffentlichkeit ganzjährig zugänglichen neuen Hahneberg blicken. Wenn überhaupt, dann am frühen Morgen oder zum Abend hin.
Das Gelände ist von Trampelpfaden durchzogen, abgeleinte Hunde stöbern genauso wie Pilze sammelnde oder Obst pflückende Menschen in jedem Winkel herum. Nachts finden sich Gruppen von Feiernden ein. Lärm und Müll sind leider nicht mehr nur eine Ausnahme, sondern die Regel. Nicht unerwähnt bleiben dürfen streunende Katzen, denn sie fangen mitnichten nur Ratten und Mäuse, sondern auch andere Tiere wie das Foto der Katze mit der getöteten Blindschleiche im Maul beweist. Da die Wildtiere kaum noch Rückzugsmöglichkeiten haben, bekommt man Feldhasen oder Rehe beispielsweise nur noch selten zu Gesicht. Zur Tierwelt am Hahneberg gehören natürlich auch die Insekten: Hummeln, Bienen, Schrecken, Schmetterlinge, Käfer und und und. Sie alle sind auf eine arten- und blütenreiche Pflanzenwelt angewiesen, die es am neuen Hahneberg allerdings nicht mehr gibt - sieht man mal vom eingezäunten Bereich zum Fort Hahneberg hin ab. Die überaus starke und häufige Beweidung der Wiesen in den letzten Jahren hat im Verbund mit dem Nährstoffeintrag durch die Hinterlassenschaften der Weidetiere dazu geführt, dass viele der ehemals dort beheimateten Pflanzen und Insekten verschwunden sind. Mit großer Freude habe ich deshalb zur Kenntnis genommen, dass das Weidekonzept inzwischen geändert wurde. Hundebesitzer, denen die Wege nicht ausreichen und die sich mit ihren vierbeinigen Freunden unbedingt auf den Wiesen tummeln müssen, haben ebenfalls ihren Anteil an der Zerstörung der früher äußerst artenreichen Lebensräume. Selbst das geschützte, eingezäunte Gelände an den Hängen zum Fort Hahneberg ist vor den Zwei- und Vierbeinern nicht sicher. Außerdem habe ich noch immer die Bilder aus dem letzten Winter vor Augen: Menschen, die mit ihren Kindern über den Zaun klettern oder ihn gar durchschneiden, um auf einer viel zu dünnen Schneedecke Schlitten zu fahren. Wohlwissend, dass das Rodeln dort nicht erlaubt ist und ein paar hundert Meter ein viel besserer Rodelberg auf Menschen und Schlitten wartet. Ich hoffe, dass der inzwischen aufgestellte, höhere Zaun derartige Aktionen zukünftig verhindert und sich vielleicht Ordnungsamt und Polizei öfter blicken lassen.
Wer sich also für Schmetterling und Co. interessiert, muss sich abseits der üblichen Wege bewegen und dorthin gehen, wo die Schafe und Ziegen noch nicht waren, Menschen und Hunde seltener auftauchen. Dorthin, wo noch Golddistel, Roter Zahntrost, Dornige Hauhechel, Gewöhnlicher Dost und Berg-Sandglöckchen zusammen mit vielen anderen Pflanzen blühen, diverse Gräserarten gedeihen und sich unterschiedliche Lebensräume kleinräumig abwechseln. Oft reicht ein offenliegendes sandiges Areal inmitten der Wiesen, um seltene Schätze der Natur zu entdecken: Zum Beispiel den Kupferbraunen Sandlaufkäfer oder die Blauflügelige Ödlandschrecke. Ein besonderes Erlebnis war für mich die Sichtung des Ockerbindigen Samtfalters (Hipparchia semele), der auf sandige, offene und nährstoffarme Lebensräume mit bestimmten Gräserarten als Nahrungspflanze der Raupen angewiesen ist. Den meistens mit geschlossenen Flügeln am Boden sitzenden und hervorragend getarnten Schmetterling kannte ich bisher nur aus einem einzigen Gebiet an der Ostsee und einer anderen Offenlandschaft in meiner Wohnnähe. Neben den Vorgenannten kann man auf solchen offenen Flächen unzählige Grashüpfer, Käfer, Bienen und Wespen oder Ameisen beobachen, wenn man sich etwas Zeit nimmt und Geduld mitbringt. Auf einer Wiese am Rand einer Sandfläche bin ich auf einen recht imposanten Neubürger in unserer Tierwelt gestoßen: die Wespenspinne (Argiope bruennichi). Während männliche Wespenspinnen mit ungefähr 6 Millimetern Größe im Gelände kaum zu entdecken sind, fallen einem die Weibchen sofort ins Auge. Mit einer Größe von ungefähr 2,5 cm und der typischen schwarz-weiß-gelb gestreiften Körperzeichnung sind sie auch von Laien leicht zu bestimmen. Wespenspinnen sind aus Südeuropa eingewandert und erst seit ein paar Jahrzehnten bei uns heimisch. Und: Sie sind unglaublich schön.
Wespenspinnen mögen es warm, sonnig und locker bewachsen, damit sie ihr charakteristisches Nest mit den Zick-Zack-Bändern (siehe anderes Foto in der Fotogalerie) zwischen den Pflanzen spannen können. Ihre Hauptnahrung stellen vor allem Grashüpfer dar, aber auch kleine Falter und andere Insekten habe ich in den Netzen der farbenprächtigen Spinnen schon gesehen. Aber nun möchte ich noch einmal zu den Schmetterlingen zurückkommen. Sie gehören zu den auffälligsten Tieren des Sommers, aber leider auch zu denen, deren Arten- und Individuenzahl in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Dennoch kann man an den Hahnebergen und drumherum immer noch viele der geflügelten Schönheiten bestaunen. An den Rändern der mit Bäumen und Büschen bewachsenen Areale kann man Schmetterlinge wie den Großen Schillerfalter, Ulmen- und Nierenfleck-Zipfelfalter oder das Waldbrettspiel entdecken. Wo viele März- oder Wald-Veilchen den Boden schmücken, flattert dann und wann ein Kaisermantel von Blüte zu Blüte oder sonnt sich regelungslos auf einem Blatt. Der Kaisermantel ist einer unserer schönsten und mit ungefähr 6,5 cm Flügelspannweite größten Tagfalter. Ist man mehr auf jene Falter aus, die sich auf den Blüten der Wiesenblumen tummeln, muss man sich - wie bereits geschrieben - weiter ins Gelände begeben. Wo welche Schmetterlinge vorkommen, hängt übrigens nicht allein davon ab, wo welche Blumen blühen. Es ist richtig, dass Blüten den lebenswichtigen Nektar für die geflügelten Schönheiten spenden. Unabdingbar sind jedoch jene Pflanzen, die dem Schmetterlingsraupen als Nahrung dienen und damit sieht es auf den überweideten Flächen inzwischen schlecht aus.
Malven-Dickkopffalter leben eben nur dort auf, wo Weg-Malven oder Moschusmalven wachsen - die Nahrungspflanze ihres Nachwuchses. Und das Tagpfauenauge, dieses unvergleichlich schöne Wunder der Natur fliegt nur dort, wo die Große Brennessel wächst. Ohne Brennesseln keine Tagpfauenaugen. Auch Admiral, Distelfalter und C-Falter sind beispielsweise auf das Vorkommen der Großen Brennessel angewiesen. Ganz zu schweigen von diversen Nachtfaltern. Wer sich jedoch abseits der Weideflächen auf die Suche macht, wird mit dem Erleben von Dukatenfalter, Hauhechel-Bläuling, Zitronenfalter, Großem Ochsenauge oder Dunklem Waldvogel belohnt, um nur einige zu nennen. Sozusagen nebenbei wird er außerdem der Zauneidechse begegnen, die nicht nur in den angelegten, eingezäunten Gehegen als Umsiedler lebt, sondern zur natürlichen Fauna des Gebiets gehört. Oder die knallroten Pappelblattkäfer, die auf das Laub von Pappeln und Weiden angewiesen sind. Oder eine Wanze im Samenstand einer Wilden Möhre ... oder eine bunt schillernde Fliege auf einer Schnecke ... oder oder oder. Ich wünsche allen, die sich am Hahneberg rumtreiben, wunderbare Entdeckungen und Erlebnisse. Zum Abschluss gibt es noch jede Menge Fotos (unterteilt in Schmetterlinge und andere Tiere), die von mir allesamt in den Monaten Juli und August an den Hahnebergen und drumherum gemacht wurden. Und wie immer, wenn es um den Hahneberg geht, möchte ich nicht versäumen auf die Naturschutzstation Hahneberg hinzuweisen, die verschiedene naturkundliche Veranstaltungen durchführt. Informieren kann man sich über den folgenden Link: Naturschutzstation Hahneberg.
Schmetterlinge am Hahneberg
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... und noch ein paar andere Tiere am Hahneberg
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Marlene (Sonntag, 06 März 2022 15:49)
Sehr geehrter Herr Staakener, da sagen Sie was. In Staaken gehört nicht nur der Hahneberg den Hunden und ihren Besitzern. Sie sind überall. Und sie scheißen überall. Trotzdem danke an Frau Haufe für die schönen Bilder, die etwas drüber hinweg täuschen, wie schlimm es um den Hahneberg bestellt ist. Hunde, Hundescheiße, Zäune, Dreck ... Schade drum.
Staakener (Sonntag, 23 Januar 2022 19:20)
Das ist ein schöner Artikel über den Hahneberg. Aber die tollen Photos täuschen drüber hinweg, was aus dem Hahneberg geworden ist. Hundeauslaufgbiet und Müllkippe. Schade, schade.