Weil das Osterfest vor der Tür steht, hab ich mir gedacht, dass ich mal etwas über den Feldhasen (Lepus europaeus) mache, der gemeinhin "Hase" genannt wird. Aber es wird nicht um die Herkunft des Osterfestes und die Göttin Ostera oder die Rolle des Feldhasen dabei gehen. Wann haben Sie denn das letzte Mal einen Feldhasen gesehen? Und ich meine jetzt nicht die viel kleineren Wildkaninchen, die sich in den Berliner Grünanlagen tummeln. Tja, sehen Sie, das ist bestimmt schon ziemlich lange her. Mindestens aber werden Sie Feldhasen nicht mehr so oft sehen wie in früheren Zeiten. Und das ist traurig und überaus schade, denn das schöne Tier spielt nicht nur zu Ostern als Symbol der Fruchtbarkeit und als Grundstein für die komplette Osterindustrie in unserem Leben eine wichtige Rolle. Feldhasen sind in unserem Leben gegenwärtiger, als es Ihnen bewusst ist. Zum Beispiel in unserer Sprache: "Angsthase", "Sperr deine Löffel auf ..." oder "ein paar hinter die Löffel bekommen" - Redensarten, die uns allen vertraut sind. Und falls Sie sich nun fragen, was Löffel mit einem Feldhasen zu tun haben: In der Jägersprache heißen die Ohren des Feldhasen "Löffel". Und der weiße Schwanz trägt den schönen Namen "Blume", doch das nur nebenbei.
Weltberühmte Maler wie Albrecht Dürer haben ihn verewigt. Mal ganz abgesehen von all den Märchen und Fabeln über und mit "Meister Lampe", eine Bezeichnung, die aus eben solch einer Fabel stammen soll, nämlich "Reineke Fuchs". Darin heißt der Hase "Lamprecht", woraus irgendwann "Meister Lampe" geworden sein soll - so habe ich es jedenfalls in der Schule gelernt. Wie dem auch sei, den Titel "Meister" trägt der er jedenfalls vollkommen zu Recht. Die Fähigkeiten des Feldhasen im Tarnen, Springen, Sprinten und Hakenschlagen sind nämlich tatsächlich wahrhaft meisterlich.
Feldhasen sind ständig auf der Hut. Ausgestattet mit einem Supergehör, welches ihnen die riesigen Ohren verschaffen und seitlich am Kopf sitzenden, großen Augen, die ihm auch nachts den totalen Durchblick ermöglichen, nehmen die Tiere alles wahr, was in ihrer Umgebung geschieht. Um ihren Feinden zu entgehen, setzen sie auf das Überraschungsmoment: Reglos und geduckt warten sie, bis der Feind direkt vor ihnen steht, um sich dann blitzschnell aus dem Staub zu machen. Wenn ein Feldhase im allerletzten Moment die Flucht vor einem Feind ergreift, erreicht er mit Hilfe seiner langen Beine unglaubliche Geschwindigkeiten und legt akrobatische Haken und Sprünge von ein bis zwei Metern Höhe hin.
Tagsüber ruhen Feldhasen am Feldrand, in einer Ackerfurche oder auf einer Wiese in einer selbst gedrückten Mulde, die "Sasse" genannt wird - bestens getarnt durch ihr braunes Fell, das in verschiedenen Schattierungen schimmert. Dort, wo sie sich sicher fühlen, ruhen Feldhasen oft auch ohne größere Deckung.
Erst in der Dämmerung bzw. in der Nacht werden die Tiere munter. Außer in der Paarungszeit, denn dann ist der Tag die Bühne für ihre berühmten Boxkämpfe und Wettrennen, mit denen die Männchen um die Weibchen buhlen. So manches zerfleddertes Hasenohr ist das Ergebnis eines solchen Boxkampfes. Eine Feldhasenversammlung an einem Frühlingsmorgen ist ein absolut faszinierendes Erlebnis, das einem tolle Einblicke in das unglaubliche Bewegungsvermögen dieser Tiere verschafft. Dort, wo noch viele Feldhasen ein Auskommen haben, trifft man außerdem manchmal auf Männchen, die völlig entrückt einer Duftspur am Boden nachgehen. Die weibliche Duftspur ist derart einnehmend, dass sie unsereins gar nicht bemerken. Auf Rügen habe ich das mehrmals erlebt und stand nur zwei, drei Meter von den schnüffelnden Hasen entfernt, die erst durch die Geräusche der Kamera auf mich aufmerksam wurden, sich aber selbst dadurch nicht weiter stören ließen. Einmal liefen fünf Feldhasen im Abstand von mehreren Metern schnüffelnd an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Was für ein schönes Erlebnis!
Die Paarungszeit beginnt je nach Witterung am Anfang des Jahres und kann bis in den Herbst dauern. Das Weibchen bringt mehrmals Junge zur Welt. Beim Nachwuchs handelt es sich bereits bei der Geburt, um fertige Feldhasen, nur eben im Miniformat.
Die Jungen tragen ein Fell und anders als viele andere Säugetiere werden sie nicht blind geboren, sondern können sehen. Als Nestflüchter verlassen sie sehr schnell den Geburtsort und verteilen sich einzeln im Gelände. Gut versteckt sind sie sich die meiste Zeit selbst überlassen, denn das Muttertier taucht lediglich zum Säugen beim Nachwuchs auf und weiß auch immer ganz genau, wo sich die Kleinen versteckt halten. Wenn Sie also einen Minifeldhasen in Feld und Flur entdecken, der allein im Gras sitzt, handelt es sich nicht um ein verwaistes Tier, das Ihrer Hilfe bedarf. Lassen Sie den kleinen Feldhasen einfach da, wo er ist. Die Mutter ist meist nicht weit und kümmert sich darum. Freuen Sie sich über diese Begegnung, denn sie ist alles andere als selbstverständlich. Es dauert nur wenige Wochen, bis der Feldhasennachwuchs sich allein versorgen und in die Welt aufmachen muss. Wie alles im Leben des Feldhasen geht auch das Erwachsenwerden recht schnell. Und manchmal trifft man dann auf einzelne Jungtiere, die einzeln und unbesorgt ihres Weges ziehen und bei denen die ohnehin schon großen Ohren tatsächlich riesig erscheinen.
Leider gibt es viele Gegenden in Deutschland, in denen Feldhasen der Vergangenheit angehören, weil ihnen der Lebensraum genommen wurde. Feldhasen benötigen nicht nur Deckung für sich selbst und die Jungtiere, sondern auch und vor allem kulinarische Vielfalt: verschiedenste Kräuter und Gräser, Knospen und Triebe von Büschen und Bäumen. Selbstverständlich verschmähen sie auch Feldfrüchte nicht. Und wenn es Feldhasen gelingt, in einen Garten einzudringen, ist so gut wie keine Pflanze vor ihnen sicher. Gar nicht so selten trifft man in weitläufigen Friedhofs- oder Parkanlagen auf Feldhasenpopulationen, weil dort pflanzliche Artenvielfalt oft höher ist als in der Argrarlandschaft. Und übrigens: Feldhasen leben auch in lichten Wäldern bzw. in von Wiesen durchsetzten Waldgebieten. Dort kann es durchaus passieren, dass sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" oder - wie auf den Fotos "Guten Morgen" sagen.
Die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, die von Monokulturen, Pestizid- und Maschineneinsatz geprägt ist, trägt ebenfalls massiv dazu bei, dass Feldhasen keine Lebensgrundlage mehr vorfinden. Denn die konventionelle Landwirtschaft lässt artenreiche Feldränder genauso verschwinden wie all jene Kräuter, die in einer gesunden Umwelt zwischen den Feldfrüchten wachsen. Dort, wo sich Maisfelder bis zum Horizont erstrecken, Feldraine und Hecken, Sölle und Wäldchen dem Profitstreben weichen mussten, können Feldhasen nicht leben. Für viele Junghasen bedeutet der immer weiter ausufernde Maschineneinsatz auf Wiesen und Feldern vom Frühjahr bis weit in den Herbst hinein zudem den sicheren Tod.
Hinzu kommt die regelmäßige Jagd auf Feldhasen in vielen Teilen Deutschlands und die Tatsache, dass viele der imposanten Tiere Opfer des allgegenwärtigen Straßenverkehrs werden. Auch die zunehmende Angewohnheit von Hundebesitzern, ihre Lieblinge überall abzuleinen und herumstromern zu lassen, ist für den Feldhasen und insbesondere für seinen Nachwuchs eine Katastrophe. Vor diesem Hintergrund sind die natürlichen Feinde des Feldhasen kaum erwähnenswert, zu denen beispielsweise Greif- und Rabenvögel oder Rotfüchse zählen, womit gesagt ist, dass Feldhasen eine nicht unwesentliche Rolle in der Nahrungskette spielen und sein Verschwinden größere Auswirkungen hat, als uns bewusst ist. Es ist also keineswegs verwunderlich, dass "Meister Lampe" vielerorts nicht mehr zum gewohnten Bild im ländlichen Raum gehört. Und auch nicht, dass unsere Kinder und Enkelkinder einen Hasen nur noch aus dem Märchen, als Schokoladenfigur oder als imaginären Osterhasen kennen, der die bunten Eier versteckt. Nur, wenn es tatsächlich so wäre, dass der Osterhase die süßen Überraschungen im Gras versteckt - in vielen Landesteilen würden unsere Kinder und Enkelkinder vergeblich danach suchen ... weil es einfach keinen Osterhasen mehr gibt.
Von daher gibt es für DAS Ostersymbol, den Feldhasen, keine frohe Ostern.
Mucki (Mittwoch, 24 April 2024 13:17)
Liebe Frau Haufe, wir waren über Ostern in der Nähe der Müritz und haben gestaunt, wie viele Muckis, also Feldhasen, es dort wieder gibt. Wir sind seit 20 Jahren über Ostern dort und haben schon seit vielen Jahren nicht mehr dermaßen viele Feldhasen gesehen. Das war so schön. Und wir hoffen, dass die wundervollen tiere nicht wieder verschwinden ...
Allerbeste Grüße von Familie Hinrich aus Cottbus
Marion Haufe (Samstag, 15 Mai 2021 13:43)
Liebe Spandauerin, vielen Dank dafür, dass Sie mir geschrieben haben. Leider muss ich ihre Aussage, am Hahneberg würde es von Hasen nur so wimmeln, berichtigen. Ja, es wimmelt. Aber nicht vor Feldhasen, sondern vor Kaninchen. Die sind am Hahneberg allgegenwärtig.
Und: Ich habe weder etwas gegen Schafe noch gegen Hunde. Aber ich habe etwas gegen Weidekonzepte, die die Natur schädigen und gegen Hundebesitzer, die ihre Hunde abgeleint überall herumstromern lassen und die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge liegenlassen. Die freilaufenden Hunde stören bodenbrütende Vögel und andere Tiere. Ich wünsche Ihnen noch viele schöne Spaziergänge am Hahneberg - hoffentlich ohne Hundekacke am Schuh.
ausSpandau (Mittwoch, 12 Mai 2021 15:19)
Am Hahneberg wimmelt es nur so von Hasen. Aber vor lauter Meckern über die Schafe und Hunde ist Ihnen das wohl entgangen.
Mit freundlichen Grüßen
Eine Spandauerin
Tierfreak (Freitag, 16 April 2021 14:43)
Das ist ein interessanter Artikel. Dort wo ich wohne gibt es jede Menge Kanickel. Hasen kenne ich nur von den Feldern bei meiner Oma. Das ist in der Nähe von Schwerin. Ich habe vor kurzem gelesen, dsa die Jäger in Meck-Pomm nun den Feldhasen schützen. Nachdem sie ihn jahrzehnte lang abgeballert haben, haha. Wahrscheinlich hegen sie ihn nun, damit sie neues Gewehrfutter bekommen. Ja, die Jäger. Scheinheilig. Scheinheilig.