Viele Menschen werden vornehmlich in den Herbstmonaten magisch vom Wald angezogen. Nämlich dann, wenn auf Steinpilz, Marone und Co. Topf und Pfanne warten. Dabei ist ein Waldbesuch zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Schon allein die frische Luft und die Ruhe sind Erholung pur, lassen uns aufatmen, sind befreiend. Und es gibt immer irgendetwas zu entdecken und zu bestaunen. Jetzt im März erwacht der Wald zu neuem Leben. Noch ganz zart überzieht frisches Grün den Boden und das Geäst der Büsche und Bäume. Aber dort, wo die Sonne schon den ganzen Tag hinkommt, recken sich die ersten Kräuter und Blumen ins Licht umschwirrt von ersten Schmetterlingen, Bienen und Hummeln. Wer Blumen und Kräuter mag, der sollte sich jetzt unbedingt Zeit für einen Waldspaziergang nehmen, und zwar nicht im monotonen Kiefernwald. Besuchen Sie Laubmischwälder oder Buchenwälder - dort ist die Artenvielfalt am größten. Den Pilzfreunden sei zum Trost gesagt, dass der Wald natürlich auch im Frühling Pilzfreuden bereithält. Die begehrten Morcheln zum Beispiel, aber das nur nebenbei. Hier geht es schließlich um den Frühlingswald und auf den freue ich mich in jedem Jahr ganz besonders. Das Blühen und Grünen nach den fast farblosen Wintermonaten ist ein grandioses Schauspiel und dauert nur wenige Wochen. Denn die sogenannten Frühblüher entfalten ihre Schönheit nur für kurze Zeit. Hat sich das Blätterdach der Büsche und Bäume geschlossen, ist ihre Zeit schon wieder vorbei. Auf jeden Fall sollte man mit den Blicken nicht unablässig am Boden kleben, denn in den oberen Stockwerken gibt es ebenfalls eine Menge zu sehen: Zilpzalp, Buchfink, Schwarz- und Buntspecht, Rotkehlchen - die Vögel geben sich ein lautstarkes Stelldichein, während ein Eichhörnchen an den Blüten eines Ahorns nascht. Den Anfang des Blütenreigens im Wald machen der Huflattich (Tussilago farfara) und das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria L.), beide leuchtend gelb und doch ganz unterschiedlich in Gestalt und Blütenaufbau.
Dort, wo der Waldboden Kalk enthält, blüht das wunderschöne, zerbrechlich wirkende Leberblümchen (Anemone hepatica). Seine Blütenfarbe variiert von einem hellen Lila bis hin zu einem tiefen Blau, wobei mir ganz vereinzelt auch schon weiß oder rosa blühende Pflanzen begegnet sind. Stets in rosa Farbtönen kommt auf jeden Fall die Gewöhnliche Schuppenwurz (Lathraea squamaria) daher, ein seltenes und höchst interessantes Gewächs, auf das ich noch zurückkommen werde. Die zierlichen Blüten des Echten Lungenkrauts (Pulmonaria officinalis) hingegen sind nur anfangs rosa gefärbt und werden mit zunehmendem Alter blau.
Viele der im Wald wachsenden Pflanzen sind übrigens nicht nur Nahrungsquelle von Schmetterling, Hummel und Co. Sehr oft sind sie auch für uns Zweibeiner von unschätzbarem Wert, weil sie entweder gesund oder heilsam oder beides sind. Namen wie "Lungenkraut" oder "Leberblümchen" deuten darauf hin, bei welchen Leiden sie hilfreich sein sollen. Einst wurde ihre Heilwirkung von ihrem Aussehen (Signaturenlehre) hergeleitet, den leberförmigen Blättern des Leberblümchens zum Beispiel oder den Flecken auf den größeren Blättern des Echten Lungenkrauts, die an Lungenbläschen erinnern. Das Echte Lungenkraut wird wie der Huflattich bis heute als Arzneipflanze genutzt. Wer mehr darüber wissen möchte, muss sich allerdings an anderer Stelle darüber informieren, denn hier reicht der Platz einfach nicht aus.
Nicht selten wachsen an den Rändern der Waldwege auch Brennessel, Knoblauchrauke, Vogelmiere und Löwenzahn. Zwar nicht in Massen wie auf stickstoffgesättigten Böden, aber es gibt sie. Allesamt sind sie essbar, schmackhaft und gesund, ob nun im Salat, im Quark oder in einer Suppe. Die jungen Blätter des Scharbockskrauts sind eine Vitamin-C-Bombe, die jedoch in Maßen genossen werden sollte (anderenfalls gibt es Bauchschmerzen). Besonders begehrt und im Berliner Umland als frei lebendes Gewächs eine absolute Rarität ist der Bärlauch (Allium ursinum). Wo das Zwiebelgewächs einmal Fuß gefasst hat und ihm die Bedingungen zusagen, bildet er über die Zeit dichte Teppiche. An sonnigen Tagen steigt einem sein knoblauchartiger Geruch schon von weitem in die Nase. Sollten Sie auf ihren Spaziergängen in artenreichen Wäldern die genannten Pflanzen entdecken, nehmen Sie bitte nur so viel wie Sie brauchen, denn alle Waldgewächse sind zu allererst Nahrung für jene Mitwesen, die im Wald zu Hause sind. Wir sind lediglich Gäste des Waldes und sollten uns auch so benehmen. Denken Sie außerdem daran, dass in Naturschutzgebieten das Pflücken und Ausgraben von Pflanzen verboten ist und dass viele Pflanzen, zum Beispiel der Bärlauch oder das Leberblümchen, generell bzw. in manchen Bundesländern unter Schutz stehen und das zu Recht. Dort, wo vor zehn Jahren noch dichte Bestände dieser zarten Blumen den Waldboden überzogen, sind sie heute verschwunden. Zu viele Pflanzen sind von Gartenbesitzern für das heimische Beet ausgegraben worden. Und auch der Bärlauch gehört zu den geschützten Pflanzen. Während er in Berlin bereits als ausgestorben gilt, steht er im Land Brandenburg auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Greifen Sie daher auf den Bärlauch in Supermärkten oder auf dem Markt zurück; es gibt ihn sogar in Bioqualität. Und wenn Sie Leberblümchen und Co. im eigenen Garten bewundern möchten: Nahezu alle Wildpflanzen werden heutzutage als Nachzucht im Gartenfachhandel zum Kauf angeboten und kosten nicht die Welt.
Und nun - wie bereits oben angekündigt - zu einem ganz besonderen Gewächs, der Gewöhnlichen Schuppenwurz. Diese Pflanze besitzt keinerlei Grün, denn sie ist ein Schmarotzer, der keine Photosynthese betreiben muss und deshalb aufs Blattgrün verzichten kann. Feuchte, leicht kalkhaltige Wälder, in denen Haselnuss, Erle oder Weide gedeihen, sind ihr bevorzugter Lebensraum, denn diese drei Baumarten sorgen für ihre Versorgung mit Wasser und Nährstoffen.
Mit einer Größe von 10 bis 30 cm zählt die Gewöhnliche Schuppenwurz nicht grade zu den kleinen Gewächsen, ist aber wegen ihrer rosa bis ins lila gehenden Färbung zwischen altem Laub, Ästen und
frischen Pflanzen gar nicht so leicht zu entdecken. Bis zum Ausbilden des Blütenstandes, der vom Wind oder Insekten bestäubt wird, müssen übrigens 10 Jahre vergehen. Und wenn die Bedingungen mal
nicht so rosig sind, blüht die Gewöhnliche Schuppenwurz unterirdisch und bestäubt sich selbst bei geschlossenen Blüten. Wer würde beim Anblick dieses Gewächses eine derart interessante
Lebensweise vermuten? Ich finde das phantastisch. Da ihre Lebensräume immer mehr schwinden, gehört die Gewöhnliche Schuppenwurz zu den Seltenheiten und ist nicht so leicht zu finden. In der Nähe
der gezeigten Schuppenwurzen habe ich übrigens für mich einen neuen Schmetterlingserstfund zu verbuchen - das Große Jungfernkind (Archiearis parthenias). Der zu den Nachtfaltern
gehörende Schmetterling gilt als häufig und soll überall dort anzutreffen sein, wo viele Birken wachsen, denn diese stellen die Nahrung der Raupen dar. Ich habe ihn - wie gesagt - zum ersten Mal
gefunden und freue mich sehr darüber. Überhaupt: Die ersten Schmetterlinge im Wald sollen natürlich nicht unerwähnt bleiben: Tagpfauenaugen, Zitronenfalter und das Weiße C gehören zu den ersten
im Jahr und sind an sonnenbeschienenen Stellen im Wald nicht zu übersehen.
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1984 (Mittwoch, 03 April 2019 13:11)
Meine Güte. Was für eine Pracht. Danke für die schönen Bilder. Am Wochenende fahre ich in den Wald.
Aka12 (Mittwoch, 10 April 2019 16:15)
ich bin schon seit jahren auf der suche nach bärenlauch, habe das ganze berliner umland abgesucht und im internet recherchiert. aber nichts gefunden. wo steht er denn, würdest mir das sagen?
Ich (Dienstag, 16 April 2019 12:00)
Nein, ich sage das nicht. Denn wie im Blogartikel geschrieben, steht Bärlauch im Land Brandenburg auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Und ich gebe generell keine konkreten Funddaten heraus. Es sei denn, man wendet sich per E-Mail an mich und hat zum Beispiel ein berufliches Interesse.
Tipp: Bei Lidl gibt es frischen Bärlauch in bester Qualität.
Aka12 (Freitag, 10 Mai 2019 09:48)
okay.okay. ich habe verstanden. aber den versuch war es wert. der tipp mit lidl war schon sehr hilfreich und es stimmt, dass der bärlauch dort frisch und lecker ist.
butterfly (Samstag, 11 Mai 2019 21:39)
Hallo Marion, die Bilder sind wirklich sehr schön. Ich würde sagen, dass es ein Auen-Jungfernkind ist, bin mir aber auch nicht sicher. Auf jeden Fall ist es ein toller Fund.
Staakener (Montag, 13 Mai 2019 13:12)
Was für wundervolle Bilder. Schade, dass der Frühling in diesem Jahr so schnell vorbei war. Sgar der Flieder ist schon so gut wie verblüht.
Ich (Donnerstag, 16 Mai 2019 08:28)
Aufgrund einer Nachfrage: Der Brauchtum steht nicht in allen Bundesländern auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten wie in Brandenburg. Man muss sich darüber informieren, wo er gesammelt werden darf und wo nicht. Im Zweifel auf das Angebot im Handel zurückgreifen.
Ich (Mittwoch, 22 Mai 2019 15:07)
Das muss natürlich "Bärlauch" und nicht "Brauchtum" heißen. Sorry.
honey2021 (Freitag, 01 Januar 2021 16:52)
Wenn man diese Fotos sieht, bekommt man Lust auf Frühling. Aber es erst Neujahr. Ich wünsche Ihnen Frieden, Gesndheit und Glück für 2021.
Schönen Gruß aus Heilbronn.